Dot-Com Crash 2.0? Ein historischer Vergleich von 2022 mit 2000 mittels 5 Faktoren.

Vor über 20 Jahren, am 10. März 2000, erreichte der NASDAQ bei 5.132 Punkten seinen vorläufigen Höhepunkt. Es folgte der Zusammenbruch der Dot-Com-Blase. Der Index fiel in den folgenden zwei Jahren um 75%. Es dauerte 10 Jahre, um die Verluste wieder auszugleichen. Wir vergleichen in diesem Video die Situation des Dot-Com-Crash mit unserer Situation heute in 2022. Droht uns wieder ein ähnliches Szenario oder war die Situation damals doch eine ganz andere? Ich schaue mir fünf Faktoren an und vergebe jeweils ein Votum, wie nah wir an 2000 dran sind.

Eigentlich sollte heute die Aktienanalyse zu Kraft Heinz kommen. Diese ist auch bereits fertig und kommt Dienstag. Aufgrund der aktuellen Bewegungen an den Börsen, habe ich diese Video vorgezogen. Aber keine Sorge, dieses Video wird keine Crash-Prophezeiung. Ich möchte euch vielmehr zeigen, dass sich Geschichte nicht wiederholt, aber sie sich durchaus reimt. Und daher kann man als Investor mit einem Blick in die Geschichte heute sehr viel wertvolle Lektionen lernen. Als kleines Intro werde ich mit euch gleich erstmal in die Zeit der 90er-Jahre (keine Angst – ohne 90er Musik) eintauchen und kurz erläutern, wie damals die Börsenwelt aussah. Danach prüfe ich anhand von fünf Faktoren, wie ähnlich sich die damalige und die heutige Situation sind. 

Also wie sah die Welt in den 90er-Jahren aus? Das Internet wurde immer breiter genutzt. Fast jeder hatte auf einmal einen PC mit Internetzugang zu Hause. Es wurde jede Menge Firmen gegründet. Darunter auch AOL oder Amazon. Die Erwartungen an die neue Branche waren gewaltig. Startups im Internetbereich wurden riesige zukünftige Gewinne vorhergesagt, egal wie schwammig die Geschäftsidee, egal wie unrealistisch der Businessplan erschien. Zugleich lagen die Leitzinsen der Fed durchschnittlich etwa 5 Prozent tiefer als noch in den 80er Jahren, als sie zeitweise über 20 Prozent erreicht hatten. Billiges Geld war damit genug verfügbar. 5% klingen aus heutiger Sicht natürlich nach verdammt viel, damals waren sie aber niedrig wie noch nie.

Diese Rahmenbedingungen lösten ein wahres Kursfeuerwerk aus. Firmen wie Pets.com warben plötzlich beim Superbowl. 12 Millionen Dollar Werbeausgaben in Relation zu Einnahmen von 600.000 Dollar im selben Jahr. Der IPO brachte trotzdem 82 Millionen Dollar ein. In die Gedächtnisse vieler Deutscher ist wohl auch die T-Aktie, also die Aktie der Deutschen Telekom, gebrannt. Bis März 2000 stieg der Preis der Aktie auf 103,5 – Ausgangspunkt war ein Kurs unter 15. Von diesen Höchstkursen ist die Telekom-Aktie noch immer weit entfernt. 

Doch dann platzte die Blase. Auslöser war eine Ankündigung einer Zinserhöhung der Fed im Februar 2000. Dies sorgte für Volatilität an den Märkten, die Zweifel an der Nachhaltigkeit der Tech-Investitionen wuchsen. Viele Unternehmen verschenkten ihre Produkte quasi um Marktanteile zu gewinnen. Es folgten erste Pleiten, wie zum Beispiel von pets.com. Dann gerieten, vor allem Kleinanleger, in Panik und verkauften. Viele Insider und Großinvestoren hatten übrigens schon zuvor verkauft. Die größten Verlierer waren also Kleininvestoren, die sich von Hype und Gier hatten verführen lassen. Vom Höhepunkt von 5048 Punkten am 10. März 2000 fiel der Nasdaq bis 1114 Punkte am 9. Oktober 2002. Der Crash löschte eine Marktkapitalisierung von 5 Billionen Dollar aus.

Viele Firmen konnten die extrem hohen Erwartungen nicht erfüllen. Andere Firmen, wie Google und Amazon, geraten auch in den Abwärtsstrudel des Dot-Com-Crash, überlebten aber und sind heute die wertvollsten Firmen der Welt. Die Grundidee der Blase, dass sich ein neues Wirtschaftszeitalter nähern würde, war also nicht falsch. Die Amazon-Aktie fiel damals von über 100 Euro auf knapp über 10 Euro. 90% Verlust. Heute steht sie bei 2.600 Euro. Aber jetzt die große Frage: wie ähnlich ist die Situation von damals der heutigen Situation? Ich werde das jetzt anhand von 6 Faktoren untersuchen.Dabei vergebe ich für jeden Faktor eine kleine Ampel, die uns anzeigt, wie ähnlich wir jeweils aktuell der Situation von 2000 sind.Vorher kurz der Disclaimer: Meine Videos sind keine Empfehlung oder Anlageberatung, sondern nur meine persönliche Meinung. Denkt selber nach, recherchiert und handelt dabei immer möglichst rational. Die möglichen Risiken aus Investitionen müsst ihr selber verantworten. Lest euch auch den Disclaimer auf rationalhandeln.de/disclaimer. 

1. Bewertungen

Erstens Bewertungen. Im Dot-Com-Crash gab es viele extrem hoch bewertete Unternehmen. Teils sogar komplett ohne Umsätze bzw. nur mit hohen Verlusten. Ich habe beim CFA Institute eine sehr interessante Gegenüberstellung der Bewertungen von damals zu heute je Branche gefunden. Diese ist aus Herbst 2020, daher also nicht ganz aktuell. Seitdem ist der Nasdaq nochmal fast 30% nach oben gezogen. Wie ihr gleich sehen werdet, sind die Bewertungsabstände aber so groß, dass dieser Anstieg auch keinen großen Unterschied macht. 

In der ersten Spalte seht ihr die Branche, in der zweiten Spalte das Kurs-Buch-Verhältnis kurz vor dem Platzen der Dot-Com-Blase, daneben das Kurs-Umsatz-Verhältnis zur selben Zeit. In der Spalte 3 und 4 seht ihr dieselben Kennzahlen für Herbst 2020. Ihr seht direkt, dass es hier noch sehr große Unterschiede gibt. Lediglich in den Bereichen Gaming und Scientific Equipment sind die Bewertungen ähnlich. Wobei die Gaming-Branche natürlich seitdem auch viel profitabler geworden ist. Die Semiconducter (deutsch Halbleiter – sprich Computer-Chips) waren mehr als vier Mal so hoch bewertet wie heute. Auch die Bewertungen von der Telko-Branche oder der Software-Branche waren ganz andere. 

Übrigens konnte man hier nicht wirklich das KGV vergleichen, weil damals nur wenige Unternehmen Gewinne hatte. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis im Nasdaq lag damals bei teils über 200. Heute ist das durchschnittliche KGV im Nasdaq nur 23,6. Heute sind nämlich viele Tech-Konzerne, allen voran Microsoft, Amazon, Apple, Alphabet, wahre Gewinnmaschinen. Das bestätigt auch die aktuellen Quartalszahlen. Bei dem Punkt Bewertungen gibt es für mich also wenig Ähnlichkeit zum Dotcom-Crash. Zudem gibt es aktuell bereits eine Rückkehr zur Realität. Tech-Unternehmen mit schwachen Quartalszahlen wie Paypal, Facebook oder Spotify werden, wie diese Woche, direkt abgestraft. Es scheint also ließe die Börse ordentlich Luft ab und die Blase würde nicht so groß wie 2000. Daher hier eine grüne Ampel von mir, denn die Gefahr einer ähnlichen Situation ist für mich gering. 

2. Hype

Zweitens der Hype um einige Tech-Firmen: Um 2000 wurden manche Aktien wie die der Deutschen Telekom massiv gehypt. Die Aktie wurde im Fernsehen von Tatort-Stars beworben und als neue Volksaktie beworben. Auch in den USA wurden Aktien wie AOL oder Qualcomm massiv gehpyed. Bewertungen spielten keine Rolle mehr. Am Beispiel der Deutschen Telekom haben wir bereits gesehen, wie tief solche Aktie dann fallen, wenn die Realität in die Bewertungen zurückkehrt. Was sind Beispiele für solche Aktien in der aktuellen Welt? Der Corona-Crash und auch die Wallstreetbets habe einige wenige Aktien zu absurden Bewertungen gehoben. Dazu gehörten Zoom, AMC, GameStop, Shopify oder auch Tesla (wobei man sich hier natürlich immer streiten kann). Shopify hat sich seit seinem Hoch auf fast 1.800 auf unter 900 Dollar im letzten Rücksetzer fast halbiert. Trotzdem ist das Kurs-Umsatz-Verhältnis noch immer auf 27. Also Hype wie im Dotcom-Crash? Ja, in Teilen. Aber aus meiner Sicht nicht so breit wie damals. Dennoch machen mir vor allem Bewegungen um Meme-Stocks, NFTs oder Shit Coins Sorgen. Anders als 2000 muss man je Anlageklasse und Unternehmen stärker differenzieren. In Teilen also ein Hype, aber nicht so in der Breite. Daher für mich hier aktuell eine gelbe Ampel.

3. Zinsumfeld

Drittens: das Zinsumfeld. Wie im Intro bereits erwähnt, sorgte eine Ankündigung der FED die Leitzinsen zu erhöhen, natürlich auf ganz anderem Zinsniveau, mit dafür, dass die Dot-Com-Blase platzte. Heute steht die FED vor ähnlichen Herausforderungen. Für 2022 sind drei Zinserhöhungen angekündigt. Auch deshalb haben die Märkte und vor allem die Tech-Werte so stark korrigiert. Hier gibt es also durchaus Parallelen. Der große Unterschied ist aber das Zinsniveau. Ich habe euch hier einmal die Entwicklung der Leitzinsen der FED in den letzten 25 Jahren eingeblendet. Wie ihr hier schön seht, führte die Zinserhöhung in 2000 zwei Jahre später wieder zu starken Zinssenkungen. Das selbe Spiel fand vor und nach der Finanzkrise 2008 statt. Der langfristige Trend geht immer weiter nach unten. Die jetzt geplanten Zinserhöhungen, könnten bei gesamtwirtschaftlichen Problemen auch schnell wieder zurückgenommen werden. Eine dauerhafte Rückkehr zu deutlich höheren Zinsen, sehe ich nicht. Oberste Priorität ist eine brummende Wirtschaft geworden. Geldwertstabilität ist eher sekundär. Dennoch die Ähnlichkeiten bei diesem Faktor sind sehr stark. Die ersten Auswirkungen steigender Zinsen, haben wir ja im Januar gesehen. Daher hier die rote Ampel. 

4. Das allgemeine Börsenumfeld

Viertens: das allgemeine Börsenumfeld. 1999 hatte der Nasdaq in einem Jahr um 86% zugelegt. Seit dem Corona-Crash hat der Nasdaq um über 100% zugelegt. Das ist aber natürlich ein Zeitraum von fast zwei Jahren. Im Jahr 2020 sprang der Index trotz Corona-Crash um über 43% nach oben. Im letzten Jahr 2021 waren es “nur” noch 23 Prozent für den Nasdaq. Der Rücksetzer im Januar und auch diese Woche im Februar ließ auch bereits einige Luft raus bei stark gehypten Aktien. Zwar gibt es hier bei den starken Anstiegen im Tech-Sektor durchaus Ähnlichkeiten, aber für mich ist die Blase nicht so prall aufgeblasen wie im Dot-Com-Crash. Man kann eine Blase auch durch langsames Luft heraus lassen verkleinern, nicht nur durch das Platzen. Ersteres scheint aktuell zu passieren. Daher für mich hier eine gelbe Ampel. 

5. Die Gier

Fünftens: die Gier. Ende der 90er war die Gier enorm. Fast jeder kaufte einzelne Aktien in der Hoffnung, dass der Börsenkurs um mindestens 50% in die Höhe springen würde. Aktien waren überall. In der Tagesschau oder auch im Sportverein. Jeder wollte mitreden. Da sind wir aus heutiger Sicht lange nicht. Zwar spülte der Lockdown und Corona-Crash viele neue Aktionäre an die Börse, aber ein Hype wie damals sehe ich nicht. Zudem ist die Notwendigkeit an der Börse zu investieren aufgrund des Nullzinsniveau aktuell viel größer. 2000 gab es immerhin alternativ fast 5% Zinsen auf das Tagesgeldkonto. Dafür dass es heute eigentlich keine Alternativen gibt, ist der Hype um Aktien eigentlich gering. Dass IPOs zuletzt eher abgestraft wurden, spricht auch für eine Beruhigung der Gier. Bewegungen wie ICOs und auch Spacs waren aber klare Zeichen für einen Hype. Das scheint sich nun aber etwas zu beruhigen. 

Für die Gier heute gibt es einen tollen Indikator von CNN. Die meisten werden ihn sicher kennen. Der Fear&Greed Index. Leider gab es diesen zum Dot-Com-Crash noch nicht. Den aktuellen Stand habe ich euch hier einmal eingeblendet. Der zeigt sogar “Fear” an. Die Gier scheint also zumindest temporär gebrochen. Aktuell steht der Trend eher auf Normalisierung und gesundem Rücksetzer. Sie könnte aber natürlich wieder anspringen. Aber aktuell eine grüne Ampel. 

Fazit

Kommen wir zu meinem Fazit: natürlich gibt es Ähnlichkeiten zu 2000. Aber eine Wiederholung des Dot-Com-Crash wird es aus meiner Sicht nicht geben. Wenn werden Crashs durch “Schwarze Schwäne” ausgelöst, also völlig unvorhersehbare Ereignisse. Die aktuellen Entwicklungen deuten eher auf eine Beruhigung der Börsen hin. Die Bewertungen von Aktien könnten zum Beispiel ein bis zwei Jahre seitwärts laufen – bei weiter guten Unternehmensergebnissen. Um so wichtiger ist es, wenn man in Einzelaktien investiert, in qualitativ hochwertige Geschäftsmodelle zu investieren. Bei vielen Tech-Aktien haben wir bereits eine erste Korrektur erlebt – teils sehr starke Korrekturen. Diese kann noch weitergehen oder die Unternehmen wachsen auch hier in die Bewertungen herein. Ich bleibe Optimist und fühle mich mit meiner aktuelle Strategie sehr wohl. Dividendenaktien geben mir in solchen Zeiten ein gutes Gefühl. Der leichte Nieselregen aus Dividenden tröstet über mangelnde Kursgewinne hinweg. 

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