Klare Verhältnisse: Gute Führung ist zeitlos

Mein Großvater war Jurist und Beamter aus Leidenschaft. Bis zu seiner Pension leitete er das Arbeitsamt in Hamm. Er hatte über 500 Mitarbeiter unter sich. Er wurde Anfang der 1990er pensioniert und ist nun leider schon einige Jahre nicht mehr am Leben. Sein Arbeitsalltag kam noch vollkommen ohne Digitalisierung aus. Er hatte nie einen Computer oder ein Diensthandy. Er hat nie eine E-Mail geschrieben und in seinem Büro lange noch Kette geraucht. Er war immer Herr Direktor und hat jeden seiner Mitarbeiter gesiezt.

Obwohl seine und meine Arbeitswelt nicht unterschiedlicher sein könnten, prägen seine Ratschläge noch immer meine Art zu arbeiten. Seit ich Führungskraft bin, muss ich immer öfter an seine Ratschläge denken. Die Grundlagen von guter Führung sind zeitlos. Es geht um den Umgang mit Menschen. Das konnte mein Opa besser als viele Führungskräfte heute:

1. Transparenz oder auch „Alle Karten auf den Tisch“

Mein Großvater war ein großer Freund davon, immer klar zu kommunizieren. Jeder seiner Mitarbeiter sollte genau wissen, wo er bei ihm steht und was er von ihm erwartete. Fehlverhalten hat er schnell angesprochen und seine abweichenden Erwartungen klar kommuniziert. Er hat Mitarbeitern bei Fehlern immer zweite Chancen gegeben, aber irgendwann auch die harten Konsequenzen gezogen. Einer seiner zentralen Botschaften, die er immer wieder predigte war: Klare Verhältnisse.

Führungskräfte verheimlichen noch immer viel zu oft ihre eigentliche Intention. Sie setzen Offenheit und Transparenz mit Schwäche gleich. Dabei ist es genau das Gegenteil: es ist eine Stärke und die Mitarbeiter werden es einem danken.

Er war immer extrem loyal seinen Mitarbeitern gegenüber. Gegenüber Dritten und vor allem Vorgesetzten hat er sich immer vor „seine Leute“ gestellt und sie verteidigt. Fehler und Konflikte hat er immer direkt im Gespräch mit den Mitarbeitern geregelt.

2. Mit jedem Mitarbeiter auf Augenhöhe sprechen

Er hat jeden Mitarbeiter mit dem gleichen Respekt behandelt. Ob Praktikant, Fahrer oder Regierungspräsident – es wurde jedem die Hand geschüttelt, jedem Guten Morgen gesagt und in die Augen geschaut. Diesen Respekt hat er andererseits auch von anderen erwartet. Er hat versucht regelmäßig mit all seinen Mitarbeitern zu sprechen. Hier ging es keineswegs um Kontrolle, sondern viel mehr um Nähe und Präsenz. Jeder Mitarbeiter sollte die Chance haben, alle paar Monate einmal direkt mit „dem Chef“ zu sprechen.

Die kleinen Dinge zählen. Mitarbeitern wurde persönlich zum Geburtstag gratuliert, auch bei Dienstjubiläen gratulierte er immer persönlich.

3. Beziehungen bauen auf Vertrauen oder auch „Man sieht sich immer zwei Mal im Leben“

Mein Großvater hat bei Verhandlungen nie versucht andere hinters Licht zu führen, sondern immer versucht alle Fakten transparent auf den Tisch zu legen. Er wollte ein Ergebnis finden, was für beide Seiten von Vorteil ist. Heute würde man dazu „Win-Win-Situation“ sagen.

Für ihn bestand eine gute Beziehung in der Arbeitswelt immer aus fairem Geben und Nehmen. Seine guten Beziehungen zu Weggefährten gründeten sich auf gegenseitiges Unterstützen und Helfen in schwierigen Situationen. Auch Jahre nach Eintritt in seine Pensionszeit, kamen noch zahlreiche alte Begleiter und Mitarbeiter aus ihrer gemeinsamen Arbeitszeit zu seinen Geburtstagen. Selbst im Pflegeheim besuchten ihn, die selbst stark in die Jahre gekommenen Ex-Kollegen, noch.

Er investierte in langfristige Beziehungen und ein Netzwerk aus Personen, denen er vertraute und auf die er sich verlassen konnte.

Fazit

Er selbst hätte vermutlich gesagt, dass sich heute alles komplett geändert hat. Das mag oberflächlich stimmen, doch die zwischenmenschlichen Elemente seines Führungsstils wären noch immer topaktuell. Die Grundlagen von guter Führung sind unabhängig von aktuellem Zeitgeist der Mitarbeiter oder der Art, wie wir arbeiten. Denn im Kern geht es bei Führung, um den Umgang mit Menschen. Und das konnte mein Opa vor 30 Jahren besser als viele Führungskräfte heute im digitalen Zeitalter.

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